DAK-Pflegereport 2024
Fachkräftemangel in der Pflege: Gefahr für die Inhouse-Verpflegung
Laut aktuellem DAK-Pflegereport schrumpft die Zahl der Pflegefachkräfte bis 2030 um mehr als die Hälfte. Langfristig könnte sich der Fachkräftemangel auch auf die Verpflegungskonzepte in Kliniken und Senioreneinrichtungen auswirken.

VerpflegungsManagement, 03.05.2024 – Die Lage in der Pflegebranche ist ernst: Knapp 250.000 Fachkräfte erreichen in den nächsten zehn Jahren das Renteneintrittsalter und verlassen damit die Branche. Das macht fast ein Drittel der ohnehin schon dünnbesetzten Personaldecke in Deutschland aus. Bereits in fünf Jahren werden Bayern und Baden-Württemberg die ausscheidenden Baby-Boomer nicht mehr durch den Pflegenachwuchs auffangen können.

Das sind die Ergebnisse des 9. DAK-Pflegereports, den die Krankenkasse Anfang April vorstellte. „Wir stehen vor einem Kipppunkt: Die soziale Pflegeversicherung droht in wenigen Jahren ihre Funktionsfähigkeit zu verlieren“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm zu den Reportergebnissen. „Wir brauchen eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung, um die Pflege mit neuen Versorgungskonzepten zukunftsfähig zu machen.“

Zusammenarbeit von Küche und Pflege ist wichtig

Die Not in der Pflege alter und kranker Menschen wird sich langfristig aber auch auf die Verpflegung in deutschen Gesundheitseinrichtungen auswirken. Überall dort, wo noch selbst gekocht wird und wo Pflege und Küche gemeinsam die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Patienten und Bewohner umsetzen, sind Pflegemitarbeiter unersetzlich. Denn je nach Beeinträchtigung brauchen Pflegebedürftige mehr oder weniger Unterstützung beim Essen und Trinken.

Auch verschiedene Speisenverteil- und Speisenanrichtekonzepte lassen sich ohne Personal nicht realisieren: Ob Buffetkonzepte, individuelle Mahlzeitenzusammenstellungen oder die Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme beispielsweise durch das Zerkleinern oder Anreichen von Speisen und Getränken – all diese Maßnahmen durch das Pflegepersonal gewährleisten, dass der Bewohner oder Patient weitgehend selbstbestimmt essen und trinken und somit das Verpflegungsangebot der Küche wahrnehmen kann.

Individuelle Ernährungsanforderungen im Blick behalten

Wie wichtig das Pflegepersonal aber auch für die gesundheitsfördernde Ernährung der Bewohner und Patienten ist, macht der Leitfaden Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (Lekup) von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Zusammenarbeit mit weitern Institutionen und Verbänden deutlich: Neben ausgebildeten Köchen, die abwechslungsreich und gesund kochen, braucht es insbesondere Pflegefachkräfte, die die Ernährungsanforderungen ihrer Klientel kennen, dokumentieren und dafür Sorge tragen, dass sie die Verpflegung erhalten, die sie benötigen.

Zahlen und Fakten des Pflegereports

Doch der aktuelle DAK-Report zeigt auf: 2023 gab es über 1.140.300 professionelle Pfleger in Deutschland. Mehr als 249.500 von ihnen erreichen in den nächsten zehn Jahren das Renteneintrittsalter, das sind 21,9 Prozent. In jedem Bundesland müssen dann um die 20 Prozent des Personals ersetzt werden. Damit wird sich die Arbeitsmarktreserve in der beruflichen Pflege bis 2030 auf 0,5 Prozent reduzieren.

Für 2025 liegt die Prognose bei etwas mehr als 9.600 Renteneintritten, denen rund 36.000 Berufseinsteiger gegenüberstehen – das entspricht einer Arbeitsmarktreserve von 2,0 Prozent. Diese halbiere sich bereits bis 2027 auf 1,0 Prozent: Statt einer Reserve von knapp 26.300 Pflegekräften stehen dann rechnerisch lediglich rund 11.700 Arbeitskräfte zur Verfügung, heißt es im Report. 2030 gehe die Reserve noch einmal um die Hälfte auf etwa 5.600 Kräfte zurück, was 0,5 Prozent entspricht.

„Wir haben trotz guter Ausbildungszahlen keinen Puffer gegen die berufsdemografischen Dynamiken in der Pflege“, sagt Pflegeexperte und Studienleiter Thomas Klie. Er macht deutlich: „Ein Ausbau der Personalkapazitäten in der Pflege wird demografiebedingt nicht gelingen. Mithilfe von Wiedereinsteigerprogrammen, Zuwanderung und Qualifizierungsstrategien lassen sie sich bestenfalls stabil halten.“

Gesundheitliche Belastungen für das Pflegepersonal

Berücksichtigt werden müsse zusätzlich die „überdurchschnittlich große gesundheitliche Belastung des Pflegepersonals“, betonen die Experten des Reports außerdem. Insbesondere Erkrankungen des Bewegungsapparates und psychische Belastungen führten zu durchschnittlich über 50 Fehltagen der Altenpflege-Beschäftigten ab 58 Jahren. Zum Vergleich: In anderen Berufsgruppen in dieser Alterssparte seien es rund 30 Fehltage (Stand 2022).

Steigende Kosten belasten das Pflegesystem zusätzlich: Bereits für das vierte Quartal 2024 zeichnen sich laut Berechnungen im Pflegereport deutliche Finanzierungslücken ab. Die Folge seien voraussichtlich erforderliche Beitragssatzerhöhungen noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Doch obwohl diese Problematik den Menschen in Deutschland bewusst sei, zeigen sich laut einer repräsentativen Umfrage vom Institut für Demoskopie Allensbach im Rahmen des Reports lediglich 41 Prozent der Deutschen bereit, höhere Beitragssätze zu akzeptieren.

„Das von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im vergangenen Jahr abgegebene Versprechen einer zumindest kurzfristigen Stabilisierung der Pflegefinanzen bis zum Ende der laufenden Wahlperiode ist wohl nicht mehr zu halten“, fürchtet Andreas Storm. Er fordert ein Konzept, das den wachsenden Finanzbedarf aufgrund steigender Kosten in der pflegerischen Versorgung langfristig absichert. Nur so könne es gelingen, das Pflegesystem zukunftsfähig zu machen.

Wege und Lösungen für die Zukunft der Pflege

Dass die Babyboomer aber zugleich Problem und Lösung für den Fachkräftemangel in der Altenpflege sein können, wird ebenfalls im Pflegereport deutlich. Laut Thomas Klie sei vor allem eines notwendig: „Wir als immer älter werdende Gesellschaft benötigen Modelle ‘geteilter Verantwortung‘, die intelligente Verschränkung von professioneller Pflege, informeller Sorge und zivilgesellschaftlicher Initiative ermöglichen – wie etwa in ambulant betreuten Wohngemeinschaften praktiziert.“

Dazu brauche es einen Abbau der Bürokratie, sektoren- und professionsübergreifende Kooperations- und Versorgungsformen sowie eine Planung auf kommunaler Ebene. Dem Experten zufolge könnten die Babyboomer in Form einer nachberuflichen Erwerbstätigkeit oder durch bürgerschaftliches Engagement deutlich zu Entlastung des prognostizierten Pflegenotstands beitragen. Dass dies realistisch sei, zeigen die Ergebnisse der Allensbach-Befragung: Demnach seien mehr als 50 Prozent der über 40-Jährigen bereit, Nachbarn, Freunde und Bekannte bei Pflegebedürftigkeit regelmäßig im Alltag zu unterstützen.

Kompetenzen fördern und wertschätzen

Thomas Klie betont außerdem: „Wir können es uns nicht leisten, unsere Fachkräfte weiter mit fachfremden Aufgaben zu beschäftigen und bürokratisch zu kontrollieren wie bisher.“ Wenn die professionellen Fachkräfte in ihrer Eigenständigkeit gestärkt würden, könnte die Verpflegung effizienter gestaltet und Prävention gefördert werden. „Ohne sie werden wir die gesundheitliche Versorgung in Deutschland nicht meistern“, ist Klie überzeugt.

jb

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